Article: Frauentages

Kultuurhaus Alten Rathaus, Würselen

Helga Semmler, M A:

07-03-2001

Einführungsrede zur Ausstellung von Saroja

Man neigt als Westeuropäer, von der Sonne nicht gerade verwöhnt, schnell dazu, Saroja van der Stegen zu beneiden: Künstlerin auf Mallorca, mildes Klima, Sonne fast das ganze Jahr, da bekommen unsere Gedanken Flügel.

Die Künstlerin, seit 1992 ansässig auf einer der beliebtesten Urlaubsinseln, transportiert denn auch diese sonnigen Empfindungen auf ihren Werken bis zu uns, den für sie typischen Ausdruck, dafür sorgten Licht, Luft und Atmosphäre der Insel und die Umstände, dort ungestört arbeiten zu können und sich vom spanischen Land und seinen Leuten inspirieren zu lassen.

Sie sollten etwas Zeit mitbringen sich die Werke hier anzuschauen, sollten sich hineinversetzen in die Leuchtkraft, die sengende Farbigkeit, den starken Klang.

Zeit ließ sich Saroja zum Glück auch, blickt man auf ihren abwechslungsreichen Lebensweg, der sie bereits viele Länder dieser Erde kennenlernen ließ und der ihre malerische Technik zum heutigen eindrucksvollen Stand brachte. Mit 22 Jahren verließ die Holländerin, die schon als Kind durch ein ungewöhnliches Schulprogramm in diversen künstlerischen Techniken ausgebildet wurde, ihre Heimat nach Studien der Kinderpsychologie, Kunst und Musik. Nachdem sie sich zwischen Kunst und Musik dort hätte entscheiden müssen, wählte sie lieber die Erfüllung ihres Jugendtraumes und ging, nach einem kurzen Zwischenstop in Südfrankreich, nach Indien, wo sie ihre Studien weiter vorantrieb. Die Anregungen und Inspirationen von befreundeten Künstlern beeinflussten ebenfalls ihre Entwicklung in der Malerei und führten sie zu der Technik, die sie auch heute noch überwiegend gebraucht: die Arbeit mit pastosen Ölfarben, meist nass in nass aufgetragen mit einem Palettmesser auf Leinwand, manchmal auch Holz. So kam sie von ersten sehr explosiven über kosmische und elementar-farbige Bilder zu den jetzt mehr erdverbundenen Motiven der Landschaften.

Besonders in den Umsetzungen dieser Landschaften fühlt man, sie läßt ihre Bilder in Reflexion ihrer Erlebnisse entstehen, intuitiv und ohne die Vorgabe der mimetischen Abbildung. Derartige Schwingungen, die von ihren Bildern ausgehen, verursachen Reize, wie sie Betrachter der seinerzeit ersten impressionistischen Gemälde auch erfahren haben müssen. Befreundete Maler Sarojas verglichen einen Teil ihrer Werke durchaus mit denen französischer Maler dieser Stilrichtung, die aus einem Landschaftserlebnis hervorging und in ihren Anfängen fast ausschließlich Landschaftsmalerei war. Dieses optische Malrezept, das die Sehgewohnheiten von Künstlern und Kunstliebhabern ab den etwa 1870er Jahren gründlich veränderte, schildert ein raffiniertes Farbenspiel von Nuancen und Übergängen, unter denen das Objekt zu verschwinden beginnt, es wird gleichgültig, da nur noch als farbige Erscheinung wahrgenommen und abstrahiert. Der mit einer ungeheuren Sensibilität registrierte Netzhauteindruck wird vom Auge über Arm und Pinsel auf die Leinwand übertragen, die Haut der Dinge im Flirren des Lichts, das die Formen verschwimmen lässt, das will man damals darstellen. Impressionen sollen verwirklicht werden, nicht Bilder in konventionellem Stil gemalt werden und der Umsetzungsprozess ins Farbige, dem das Objekt ausgesetzt wird, ist von einer hinreißenden Überredungskraft, eben eine Inszenierung in Farbe, eine Faszination, die wir auch heute noch beim Anblick impressionistischer Gemälde verspüren. Die neue Maltechnik setzte kleine Farbflecken nebeneinander und überlässt ihre Mischung bei gewissem Abstand dem Auge des Betrachters. Dies führte zu einer Auflösung des Gegenständlichen und endete im Irrealen, in einer Art Abstraktion.

Bekannte, große, teure Namen verbinden sich mit diesem Stil: Renoir, Dégas, Manet, Sisley, Pissarro und Monet, Namensgeber der Kunstrichtung, der den Kunstkritiker Leroy beim Besuch einer Ausstellung 1974 durch seinen Bildtitel “Impression – Le soleil levant” zu dieser als höhnisch gemeinten Bezeichnung verführte. Hätte Leroy um den heutigen Stellenwert gewusst, er hätte sicher all seine Ersparnisse in dieser Kunst angelegt.

In gewisser Weise muss man dem Impressionismus eine inhaltliche Schwäche, krasser noch, Oberflächlichkeit nachsagen, was künstlerische Außenseiter bald nach mehr Innerlichkeit und Ausdruck suchen ließ. Solche Außenseiter waren zum Beispiel Cézanne, der die Form, den Grundstein für das künftige konstruktive Denken aller Malerei fand, van Gogh, der das sensible Flimmerspiel mit Farben rücksichtslos zum vulkanisch-ekstatischen Ausdruck brachte oder Gauguin mit seiner Konzentration des zersprühenden Bildes zu applikationsartigen und prunkenden Farbflächen voll neuer Bedeutung und Tiefsinn.

Mir fällt ein Zitat des Pariser Malers und Professors Bernard Frize ein, der einmal anmerkte “Ein Gemälde fordert vom Betrachter viel mehr an passiver Einfühlung und aktivem Verständnis als etwa eine Installation, die man durch die eigene Bewegung erfassen kann. Und die Malerei verlangt auch von den Künstlern sehr viel. Ihre Wurzeln sind Jahrtausende tief. Jeder, der sie betreibt, bezieht sich auf alles, was zuvor gemacht wurde.”

Also kommen wir ans Arbeiten: Finden Sie in den Farbflächen der Werke von Saroja menschliche Figuren, Landschaften oder gegenständliche Abbildungen? Nach eigenem Bekunden setzt sie diese nicht ein, und doch werden sie vom Betrachter entdeckt. Genau diesen Freiraum, also die Zusammensetzung der Flächen im Auge des Betrachters will sie offenlassen und gibt zu, “selbst in meinen abstraktesten Arbeiten kann man zum Beispiel eine Art Landschaft erkennen”, jeder mit seiner eigenen inneren Bildwelt und Phantasie. Sie tritt nie an die Staffleei unter dem Vorwand, nun eine Landschaft zu malen. Die Bildinhalte “passieren” ihr, wenn sie eins ist mit sich selbst, wenn sie ihrer Vorliebe für Experimente freien Lauf lassen kann, wenn die Energien fließen kann sie Impressionen, Gefühle auf der Leinwand ausdrücken und das führt zu den ihrem Empfinden nach besten Gemälden. Dann haben die ihr so wichtigen Farben die richtige Mischung, sind wie Licht, das auf den Dingen liegt, arbeiten, stehen in Harmonie oder auch, je nach Gefühlsregung, in bewußter Disharmonie zueinander. Wir als Betrachter können nun die farbige Komposition gleich einer Melodie erkennen und sind in der Lage, den Interpretationsfreiraum zu betreten, der uns spielen lässt, da die Gemälde in den seltensten Fällen betitelt sind, und wenn doch, so nur als Einstiegshilfe.

Wir erinnern uns daran, wo die Werke der Malerin in den letzten Jahren entstanden sind, im südlichen Licht Mallorcas. Kehren wir gedanklich dorthin zurück, lassen wir die Wärme dieser Region wieder in uns spürbar werden. Die Insel ist Sarojas zu Hause, ihrem Sohn ermöglichte das Leben dort eine gewissenhafte schulische Ausbildung, Saroja verhalf es zur Anerkennung ihrer Kunst, denn ihre Bilder sind darüber hinaus auch in anderen Ländern bekannt und ausgestellt.

Doch ihre künstlerische Entwicklung ist noch lange nicht abgeschlossen. Sie geht auf Reisen, wenn sie malt und bald auch wieder in Realität? In unserem regen email-Wechsel bemerke ich eine gewisse Unruhe, so als wäre Mallorca doch nur ein Zwischenstop gewesen, Kompromiß nennt sie es. Trotz allen Erfolgs klingt Kritik an Worten an, die sie zwar anerkennend, aber ihr nicht lieb zu einem typischen Maler der Insel machen wollen, da sie auffällig die mediterranen Farben der Pollensa-Schule des letzten Jahrhunderts anwende. Da wird es ihr zu eng, sie fühlt sich vereinnahmt und die alte Reiselust scheint wieder hervorzubrechen. So wird sie wohl irgendwann die Inspiration neuer Länder brauchen und finden, wo auch immer das sein wird.

Bis die Zeit solch einen Wechsel nötig machen wird, nehmen Sie sich wie schon empfohlen erst einmal die Zeit, die hier ausgestellten Werke zu genießen. Gemälden von Matisse sage man einmal nach, sie seien gleich “bequemen Lehnstühlen, sich darinnen auszuruhen”. Auch Sarojas Arbeiten sind von farbiger Klarheit, Heiterkeit und Ausgewogenheit. Also bitte, nehmen Sie Platz!